Interview im MM – Zur Brandmauer-Debatte
MM: Friedrich Merz will in dieser Woche Anträge zu einer verschärften Migrationspolitik in den Bundestag einbringen. Ihm sei es egal, sollte auch die AfD den Anträgen zustimmen. „Das Richtige werde nicht falsch dadurch, dass die Falschen zustimmen“, sagte er. Was halten Sie von dieser Einstellung?
MS: Friedrich Merz hat recht. Wir können unser Abstimmungsverhalten nicht von der AfD abhängig machen. Wir sind an der Sache und an dem interessiert, was unser Land nun braucht. Wenn wir von dem, was wir für richtig halten, immer dann abkehren würden, sobald in irgendeinem Punkt möglicherweise die AfD zustimmen könnte, dann würden wir der AfD mehr Einfluss geben, als ihr nach dem Wählervotum zusteht. Auch die Ampel-Parteien haben übrigens in der zu Ende gehenden Legislaturperiode diverse Beschlüsse gefasst, denen auch die AfD zustimmte – und diese Zustimmung hat SPD, FDP und Grüne nicht davon abgehalten, ebenfalls zuzustimmen. Diese Liste kann ich Ihnen gerne zukommen lassen.
MM: Die AfD hat schon Zustimmung signalisiert, nur damit könnten die Anträge eine Mehrheit bekommen. Hat Friedrich Merz damit Ihrer Meinung nach die vielfach beschworene Brandmauer zur AfD eingerissen? (Alice Weidel bejubelt das ja bereits.)
MS: Union und AfD haben rechnerisch keine Mehrheit im Bundestag. Uns geht es darum zu handeln und und das richtige zu machen. Nicht um die AfD. Das, was in Aschaffenburg passiert ist, hat eine andere Qualität. Es geht um den Schutz unserer Kinder, über dem kann und darf nichts anderes stehen. Ihre Aussage, nur mit der AfD könnten die Anträge eine Mehrheit bekommen, ist nicht korrekt: mit SPD, FDP und Grünen könnten die Anträge auch eine Mehrheit bekommen – ohne die AfD. Vom Einreißen einer „Brandmauer“ kann keine Rede sein: Unsere Fraktion hat bei diesen Beschlussvorlagen die Zusammenarbeit mit SPD, Grünen und FDP gesucht – und sie hat diesen Fraktionen vorher die Entwürfe zugeleitet, nicht aber der AfD. Die Brandmauerdiskussion ist ein Ablenkungsmanöver. Wir sind bereit und offen für Vorschläge und Änderungen von SPD und Grüne. Wer Menschen, die eine Wende in der Migrationspolitik fordern, in die rechte Ecke drängt, die machen sich das viel zu einfach.
Gerne verweise ich auf folgende Textpassage: Wir dürfen es nicht zulassen, dass die AfD bestimmt, welche Politik wir vertreten. Und genau das wäre der Fall, wenn wir jedes Mal bei drohender AfD-Zustimmung einen Rückzieher machen würden. Dadurch würden wir politikunfähig.
MM: Falls ja: Was halten Sie davon? Ist jetzt auch eine Koalition mit der AfD bei der CDU nicht mehr ausgeschlossen?
MS: Die Antwort erübrigt sich, weil ich das „falls ja“ nicht teile. Natürlich ist eine Koalition mit der AfD völlig ausgeschlossen – das hat Friedrich Merz auch hinreichend oft und hinreichend deutlich erklärt. Warum stellt man das immer wieder zur Frage?
MM: Falls nein: Wie begründen Sie das? Tatsächlich nimmt Friedrich Merz sehenden Auges in Kauf, dass die AfD dem CDU-Antrag zur Migration zu einer Mehrheit verhilft.
MS: Wer diese Frage stellt, muss auch folgende Frage stellen: Warum verhelfen SPD und Grüne nicht zu einer Mehrheit bei einem Thema, was die Menschen umtreibt ? Es gilt das oben gesagte: Erstens hat Friedrich Merz sich intensiv um eine Mehrheit mit SPD, FDP und Grünen bemüht – und gerade nicht mit der AfD. Und zweitens dürfen wir nicht immer dann auf die Vertretung des für richtig Erkannten verzichten, wenn die AfD erklärt, sie würde womöglich zustimmen. Wir können unsere Politik nicht von der AfD abhängig machen. Außerdem kommen solche Situationen oft im kommunalen Bereich vor. Wenn wir mit dieser Attitude an die Themen rangehen, müssten wir alle kommunalen und regionalen Vorhaben auf Eis legen.
MM: Stimmen Sie den Plänen zur Migration zu?
MS: Ja. Deutschland ist im Moment überfordert mit der irregulären Zuwanderung. Derzeit ist es so, dass ausnahmslos jeder, der an der deutschen Grenze das Wort „Asyl“ sagt, erst einmal von Deutschland aufgenommen wird. Die Probleme, die das mit sich bringt, überfordern uns. Ich teile die Meinung von Alt-Bundespräsident Joachim Gauck, der da sagte: „Unser Herz ist weit, doch unsere Möglichkeiten sind begrenzt“. Das betrifft nicht nur die innere Sicherheit, sondern auch viele andere Bereiche, wie die Unterbringung und die gute Integration. Wir müssen in der Migrationsdebatte klar unterscheiden, zwischen der Arbeitsmigration, die wir dringend brauchen und der Zuwanderung in unsere Sozialsysteme. Letzteres müssen wir mit einer anderen Grundsicherung eindämmen.
Die Flüchtlingsproblematik muss auf europäischer Ebene komplett neu geregelt werden, damit die Menschen, die wirklich unseren Schutz brauchen, ihn auf Dauer auch wirklich bekommen können. Das Recht auf Asyl ist ein hohes Gut, das wir erhalten müssen. Es sollte nicht als Mittel zum Zweck, sondern zum Schutz der Menschen dienen. Ebenfalls sollte es nicht das Recht des Stärkeren sein, die es mit Hilfe von Schleppern nach Europa schaffen. Gerade die „Schwächeren“: Frauen, Kinder oder ältere Menschen können dieses Recht nicht in Anspruch nehmen, weil sie gar nicht in der Lage sind diesen Weg auf sich zu nehmen. Das ist nicht gerecht. Das Grundgesetz erlaubt ausdrücklich die Zurückweisung von Asylbewerbern an der Grenze, wenn sie aus sicheren Drittstaaten kommen – und Deutschland ist komplett von sicheren Drittstaaten umgeben. Darüber hinaus haben wir momentan 40.000 Menschen deren Asylanträge abgelehnt worden sind und die eigentlich abgeschoben werden müssten. Genauso wie der Täter von Aschaffenburg.
MM: CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte: „Das Nazi-Bashing gegen die [AfD] und das Brandmauergerede müssen aufhören.“ Sehen Sie das auch so?
MS: Linnemann hat nicht die AfD verteidigt, sondern er hat kritisiert, dass die notwendige Diskussion über eine Neuregelung des Asylsystems von den Ampel-Parteien bisher immer dadurch unterbunden worden ist, dass jeder Änderungsvorschlag unreflektiert als „Rechtsruck“ oder „Annäherung an die AfD“ bezeichnet wurde. Dadurch ist die Politik handlungsunfähig geworden. Das kann so nicht bleiben. Das sehe ich genauso.
MM: Und daran anschließend: Verharmlost eine solche Aussage die AfD und macht sie weiter gesellschaftsfähig?
MS: Nein, im Gegenteil: Die AfD würde in gefährlicher Weise politisch aufgewertet, wenn sich die Unionsparteien und andere Parteien bei jeder Positionierung erst einmal fragen würden: Könnte es vielleicht sein, dass in diesem oder jenem Punkt die AfD zustimmt? Damit hätten sie uns voll im Griff. Wir als Union lassen das mit uns nicht machen. Nochmals: wir sind an der Sache orientiert. Schwierige Themen, wie diese müssen aus der demokratischen Mitte benannt und gelöst werden. Mit der Brandmauerdebatte von SPD und Grüne ist das so nicht möglich. Dann wundert man sich, warum die extremen Kräfte in unserem Land immer stärker werden. Wir dürfen uns nicht von der AfD diktieren lassen, welche Politik wir vertreten. Das würden wir aber tun, wenn wir jeden Vorschlag, dem womöglich die AfD zustimmen könnte, sofort zurückziehen würden.